Frauen, die Mitglied in der Facebookgruppe crafteln schnittmuster anpassen werden wollen, stelle ich, bevor ich sie freischalte zwei Fragen. Ich möchte wissen, ob sie bereits nähen (und Frauen sind) und was sie über Schnittanpassung lernen wollen. Eine der Antworten, die ich am häufigsten bekomme betrifft die Größenwahl “ich habe oben eine andere Größe als unten” schreiben Viele. Ja, denke ich dann, damit bist du nicht alleine”. Doch das ist natürlich nicht die Antwort, die weiter hilft, denn die Frage ist ja eigentlich eine andere “Wie wähle ich die Größe aus, bei der ich möglichst wenig anpassen muß?” und diese Frage beantworte ich in der heutigen Episode.

In diesem Blogpost bekommst du eine Zusammenfassung der Inhalte der Podcastepisode. Im Podcast selbst, erzähle ich noch etwas ausführlicher.

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Diese Episode ist eine von 15 Episoden meiner Einsteigerinnenserie zum Thema Schnittanpassung. Weitere Episoden findest du bereits hier im Blog unter folgenden Links:

In meinem Podcast, “Passt, der Podcast von crafteln” bin ich mit einer 15-teiligen Einsteigerinnen-Serie gestartet. Es sind 15 Folgen vollgepackt mit meinem Wissen, Tipps und Perspektiven – die dir helfen sollen, den Einstieg in die Schnittanpassung zu erleichtern. Es ist ein richtiger “Audio-Kurs” geworden, mit Lernlektionen á jeweils 30-50 Min. Länge. Klicke auf die jeweilige Folge um zum Artikel mit der Podcast-Episode zu gelangen.


Und jetzt gehts los mit Episode #11!

In der letzten Podcastepisode habe ich euch erzählt, warum es Maßtabellen gibt, was Wunschkundinnen sind und was der Unterschied zwischen einer Fertigmaß- und einer Körpermaßtabelle ist. Heute geht es nun – endlich – darum, was du mit diesen Maßtabellen machen kannst.

Das Ziel ist die Größenwahl

Maßtabellen brauchst du zu nichts anderem, als deine Größe auszuwählen. Maßtabellen helfen dir, die Größe auszuwählen, bei der du am wenigsten Änderungen machen mußt. Manchmal mußt du die Größe schon vor dem Schnittmusterkauf entscheiden, manchmal brauchst du sie, um dich dafür zu entscheiden, welche Größe eines Mehrgrößenschnittmusters du ausdruckst, abpaust oder ausschneidest. Wie du die richtige Größe auswählst, verrate ich dir gleich. Aber wie du das schon von mir kennst, gehe ich erstmal ein paar Schritte zurück und nutze die Adlerperspektive, um die Thematik besser zu verstehen.

In der letzten Podcastepisode habe ich dir erzählt, dass die meisten Schnittmuster nur eine Maßtabelle, also entweder eine Körpermaß- oder eine Fertigmaßtabelle haben, weil es schlichtweg teurer ist, die zweite Maßtabelle zu erstellen. Für die Konstruktion braucht es nur eine Tabelle. Die zweite Maßtabelle ist ein Service für die Kundinnen. Denn mit der zweiten Maßtabelle, kannst du die Zugaben, die ein Kleidungsstück enthält, ausrechnen.

Wieviel Zugabe braucht ein Kleidungsstück?

Wie ich dir schon in Episode # 8, in der es um Abnäher und Zugaben ging, erzählt habe, wird ein Kleidungsstück in den seltensten Fällen genau so weit sein, wie dein Körpermaß. Wäre dies der Fall, dann würdest sozusagen eine zweite Haut nähen oder wie ich gerne sage “eine Wursthaut”. Wäre dein Kleidungsstück genauso weit wie dein Körpermaß, würde das Kleidungsstück eng anliegen und bei nicht elastischen Stoffen könntest du dich darin nicht bewegen.

Deswegen haben Kleidungsstücke eine Bewegungszugabe und zusätzlich meist auch noch eine Designzugabe. An vielen Körperstellen ist das Kleidungsstück einige Zentimeter weiter als das reine Körpermaß. Es ist allerdings eine hohe Kunst, theoretisch vorauszusehen, wieviel Zugabe dein Kleidungsstück voraussichtlich brauchen wird, denn dies hängt nicht nur von der Stoffwahl ab (du erinnerst dich, jeder Stoff verhält sich anders) sondern auch von deinem Gefühl und den aktuell modischen Vorlieben. Diese Zugabe zu bestimmen fällt den meisten Hobbyschneiderinnen, mich eingenommen, sehr schwer und ist eines der großen Hemmnisse beim Anpassen von Schnittmustern.

Wie bestimme ich die Zugabe?

Hat ein Schnittmuster zwei Maßtabellen, entfällt dieses Problem des Schätzens, denn du kannst die Zugabe ganz einfach aus der Differenz von Fertimaß und Körpermaß berechnen.

Die gute Nachricht ist: so schwierig ist das mit den Zugaben auch nicht. Da wir ja definitiv keine Wursthaut nähen wollen (es sei denn, unser Ziel ist Shapewear) und da wir ja auch am fast fertigen Kleidungsstück noch Anpassungen vornehmen können, können wir mit den Zugaben – an den richtigen Stellen – auch etwas großzügiger sein nach dem Motto “enger machen geht immer”. Wenn wir wissen, wie ein Schnittmuster funktioniert, dürfen wir sogar beim Messen der waagerechten Maße großzügig sein und nicht auf den Millliemter genau messen, weil wir wissen, dass bei diesen waagerechten Maßen an fast allen Stellen ohnehin noch eine Zugabe zugegeben wird.

Mach dir also keinen allzu großen Kopf über die Zugaben. Das Gefühl dafür, wieviel Zugabe du für was für ein Kleidungsstück brauchst, kommt mit der Zeit. Du kannst diesem Lernprozess etwas nachhelfen, in dem du gut passende oder schlecht passende Kleidungsstücke auf deren Zugaben hin untersuchst und die eine Zugabentabelle erstellst.

Trotzdem: gibt es zwei Tabellen ist das angenehm. Wenn wir ausrechnen können, wieviel Zugabe in der jeweiligen Körperregion vorgesehen ist, dann ist das eine wertvolle Information für uns, die uns hilft, treffsicherer, mit einer größeren Erfolgswahrscheinlichkeit zu nähen.

Wie interpretiere ich Maßtabellen

Wenn du herausgefunden hast, um was für eine Tabelle es sich handelt, machst du das, was der Name sagt. Du vergleichst das, was der Name der Tabelle sagt mit den entsprechenden Maßen. Du vergleichst bei einer Körpermaßtabelle mit deinen Körpermaßen und bei einer Fertigmaßtabelle die angegebenen Zahlen mit den Maßen eines möglichst gut passenden Kleidungsstückes.

Je genauer deine Zahlen denen der Tabelle gleichen, umso wahrscheinlicher ist es, dass dir das zukünftige Kleidungsstück passt. Bedenke, dass diese Zahlen eine gewisse Bandbreite angeben, bzw. einen Mittelwert angeben. Wenn deine Zahl nicht ganz genau die Zahl in der Tabelle trifft, mußt du abwägen. Aber keine Sorge, dieses Abwägen entscheidet noch nicht über Erfolg oder Mißerfolg – du wählst doch nur die Größe! Anschließend kontrollierst du noch einmal das Schnittmuster bevor du zuschneidest und kannst herausfinden, ob deine Größenwahl vernünftig war oder ob es besser wäre, noch einmal “auf Los zu gehen” und dich für eine andere Größe als Ausgangspunkt für dein Nähprojekt zu wählen.

Jeder Körper hat unterschiedliche Größen

Du siehst, ich versuche dir die Angst zu nehmen, etwas falsch zu machen. Ich möchte dich gerne dazu einladen, Dinge auszuprobieren. Auch die Größenwahl ist kein wirklich großes Problem – auch wenn ich von vielen Hobbynäherinnen die Aussage höre “ich weiß nicht, welche Größe ich wählen soll, denn mein Körper hat oben und unten unterschiedliche Größen”.

Ich verrate dir etwas. Du bist damit nicht alleine! Viele Frauen haben im Bereich der Brust, der Taille und der Hüfte zwei oder drei unterschiedliche Kleidergrößen. Das liegt daran, dass die Herstellerinnen der Schnittmuster dich nicht kennen und ihre Größentabellen aufgrund ihrer Wunschkundin erstellen (vergleiche Episode #10). Die gute Nachricht ist, es ist egal – denn du kannst (bald) Schnittmuster anpassen.

Zur Größenwahl brauchst du nur eine einzige Größe

Zur Größenwahl brauchst du in der Tat nur eine Größe. Nunja, eine Größe für Oberteile und eine Größe für Unterteile wie Rock oder Hose. Kleider und Mäntel wählst du auch nach dem Maß für Oberteile aus.

Warum nur eine Größe? Weil du alles andere anpassen kannst. Du wählst die Größe so, dass du möglichst wenig anpassen mußt. Wenn dein Körper an anderen Stellen andere Weiten braucht (und nur um die geht es bei der Größenwahl!), dann wird das Schnittmuster eben geändert.

  • Für Obeteile, Kleider und Mäntel wählst du die Größe nach dem Brustumfang*.
  • Für Unterteile wie Röcke und Hosen nimmst du den “Hüftumfang” als das Maß für die Größenwahl.

 

Mehr nicht.

Warum? Sowohl der Brustumfang als auch der Hüftumfang beschreiben die breiteste Stelle deines Ober- bzw. deines Unterkörpers. Es ist also eine Auf-Nummer-sicher-Wahl. Wenn du das Kleidungsstück aufgrund dieses Maßes auswählst, stellst du sicher, dass es auf jeden Fall über die breiteste Stelle passt. Alles andere kannst du dann anpassen.

Bei Unterteilen ist es so, dass du die Taillen-Hüft-Differenz anschließend über formgebende Desingdetails wie z.B. Bundfalten oder einen Formbund ausgleichst. Hauptsache, das gute Stück geht über Po, Bauch und Hüfte.

Und nun zum Sternchen hinter “Brustumfang*”. Bei Oberteilen ist es allerdings ein kleines bisschen komplizierter. Der Brustumfang ist deswegen eine gute Wahl, weil alle Anpassungen unterhalb des Armlochs sehr viel leichter zu bewerkstelligen sind, als auf der Höhe des Armlochs. Einen guten Ärmel und ein gutes dazupassendes Armloch zu konstruieren ist hohe Schneiderkunst, deswegen vermeide ich Änderungen im Armlochbereich so weit es geht. Unterhalb des Armlochs kann ich Weitenänderungen problemlos an allen senkrechten Nähten vornehmen.

 

Schnittmuster werden meist für eine Körbchengröße B oder C konstruiert

Komplizierter ist es im Oberteil deshalb, weil die Konstruktion von Schnittmustern meist von einer Körbchengröße B oder C ausgehen. Alle Frauen, die eine größere oder kleinere Brust haben und die Größe eines Schnittmusters mittels des Brustumfangs aussuchen, bekommen unweigerlich Probleme, dass Schultern, Rückteil und Ausschnitt nicht gut passen. Das liegt daran, dass wir nunmal vorne Brüste haben und hinten nicht, was dazu führt, dass eine Auswahl mittels eines Umfangmaßes – also einmal rundum – nur bedingt zu guten Ergebnissen führt. Das alternative Maß für die Größenwahl für alle Frauen, die nicht Körbchengröße B oder C haben ist deswegen der Oberbrustumfang. Wird allerdings eine Schnittmustergröße mittels des Oberbrustumfanges ausgesucht, muß das Schnittmuster auf jeden Fall angepasst werden, denn der Oberbrustumfang beschreibt die Weite des Oberkörpers ohne die Brüste, sprich der Platz für die Brust muß nach der Größenwahl mit Hilfe einer FBA oder SBA noch angepasst werden.

So einfach ist das mit der Größenwahl. Du brauchst tatsächlich nur ein Maß, um die Größe auszuwählen, bei der du möglcihst wenig Änderungen machen mußt. Und dafür brauchst du die Maßtabellen.

 

Warum sind Maßtabellen so ausführlich?

Jetzt fragst du dich vermutlich, warum in Maßtabellen nun so viele Maße angegeben sind, wenn ich doch nur ein Maß für die Größenwahl brauche? Vermutlich weil noch kein Mensch darüber nachgedacht hat und es alle so machen, wie alle anderen auch. Oder weil die Herstellerinnen von Schnittmustern davon ausgehen, dass Hobbyschneiderinnen keine Ahnung davon haben, wie sie Schnittmuster anpassen können. Oder aber, weil viele Zahlen einfach dazu führen, dass Frauen irgendeine Größe auswählen und das Schnittmuster kaufen. Gerade weil bei fast allen Schnittmustern so viele Maße angegeben sind, die eine Pseudosicherheit bei der Größenwahl vermitteln, habe ich Ewigkeiten gebraucht, bis ich auf diese einfache Lösung gekommen bin, warum es nur ein relevantes Maß für die Größenwahl braucht.

Am Ende dieser Episode möchte ich es noch einmal wiederholen, weil es so wichtig ist: du brauchst nur ein Maß, um die Größe auszuwählen, bei der du am wenigsten anpassen mußt. Diese Größe ist nur der Ausgangspunkt und noch nicht das finale Schnittmuster, mit dem du zuschneidest und nähst. Mit einem “selbstgemachten Maßschnittmuster” zu nähen heißt dann im nächsten Schritt, ein Schnittmuster zu kontrollieren, es auszumessen und herauszufinden, wo du etwas ändern mußt, damit es an den verschiedenen Stellen deines Körpers, gut passt. In Episode 7 habe ich darüber schon einmal gesprochen.

Wenn du jetzt weißt, wie du die richtige Größe wählst und dir bewußt ist, das du bevor du weiter machst, ersteinmal das ganze Schnittmuster kontrollierst, dann bist du endlich bereit für das Thema, auf das du wahrscheinlich schon seit Wochen wartest: jetzt bist du bereit dafür zu lernen, wie du Schnittmuster anpassen kannst. Aber das erzähle ich dir erst in der nächsten Episode.