Maßtabellen – kenne ich! Das wird vermutlich jede Näherin sagen. Schließlich haben wir alle schon mehr als eine Maßtabelle gesehen. Und obwohl Maßtabellen auf den ersten Blick so simpel handhabbar und eindeutig erscheinen, habe ich dazu eine Menge zu sagen. 

In diesem Blogpost bekommst du eine Zusammenfassung der Inhalte der Podcastepisode. Im Podcast selbst, erzähle ich noch etwas ausführlicher.

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Diese Episode ist eine von 15 Episoden meiner Einsteigerinnenserie zum Thema Schnittanpassung. Weitere Episoden findest du bereits hier im Blog unter folgenden Links:

In meinem Podcast, “Passt, der Podcast von crafteln” bin ich mit einer 15-teiligen Einsteigerinnen-Serie gestartet. Es sind 15 Folgen vollgepackt mit meinem Wissen, Tipps und Perspektiven – die dir helfen sollen, den Einstieg in die Schnittanpassung zu erleichtern. Es ist ein richtiger “Audio-Kurs” geworden, mit Lernlektionen á jeweils 30-50 Min. Länge. Klicke auf die jeweilige Folge um zum Artikel mit der Podcast-Episode zu gelangen.


Und jetzt gehts los mit Episode #10!

Was ist eine Maßtabelle

Maßtabellen, oder besser gesagt mindestens eine Maßtabelle, gibt es zu jedem Schnittmuster dazu. Warum? Weil wir bei einem Mehrgrößenschnittmuster Informationen darüber brauchen, wie wir die Größe auswählen, die uns vermutlich am besten passt.

Eine Maßtabelle enthält für verschiedene Körperbereiche Angaben darüber, wie groß, das heißt wie lang oder breit der Körper oder das zu nähende Kleidungsstück in einer bestimmten Größe sein sollte.

Es gibt zwei Arten von Maßtabellen: Körpermaßtabelle und Fertigmaßtabelle

Eine Körpermaßtabelle enthält – wie der Name schon sagt – Körpermaße. Das heißt, hier geht es wirklich darum, wie viel Zentimeter ein bestimmter Körperbereich haben sollte, um in eine bestimmte Größe zu passen. Und ich merke schon, wie ich ein wenig zögere, wenn ich so eine Formulierung schreibe. Denn dieses “sollte” hat natürlich nichts mit richtig und falsch zu tun, sondern mit den Entscheidungen des Herstellers. Aber dazu komme ich weiter unten.

Eine Fertigmaßtabelle beschreibt das zukünftige Kleidungsstück. Hier sind also nicht die Körpermaße angegeben, sondern etwas mehr, denn in den seltensten Fällen ist ein Kleidungsstück genau enganliegend – es sei denn, es handelt sich um Shapewear oder Leggins, die sogar noch enger sind, als das Körpermaß.

Achte darauf, um welche Art Tabelle es sich handelt

In den meisten Fällen steht bei den Tabellen nicht dran, um welche Art von Tabelle es sich handelt. Du mußt etwas detektivisch vorgehen, um das herauszufinden. Doch so schwierig ist das auch nicht, denn es gibt in der Regel Hinweise im umliegenden Text oder der Tabelle selbst. Frau muß sich nur bewußt darüber sein, dass es zwei Arten von Tabellen gibt und dass es sehr sinnvoll ist herauszufinden, um welche Art Tabelle es sich handelt.

Eine Weile dachte ich, dass das Wort “Umfang” auf eine Körpermaßtabelle schließen lässt und der Begriff “Weite” auf eine Fertigmaßtabelle. Das stimmt zwar theoretisch, aber die wenigsten halten sich an die korrekte Verwendung dieser Begriffe und benutzen Umfang und Weite synonym. Das ist also kein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal.

Also bleibt frau nichts anderes übrig, als den Text drumherum zu lesen und nach einem Hinweis zu suchen, ob die Maße der Tabelle nun mit den Körpermaßen oder den Maßen eine fertigen Kleidungsstücks verglichen werden sollen. Aber darum wird es in der nächsten Episode des Passt Podcast von Crafteln erst gehen, wenn ich über die Größenwahl spreche. Heute geht es mir erst einmal darum dir zu erklären, dass es verschiedene Arten von Maßtabellen gibt und warum.

Maßtabellen sind DIY, also selbstgemacht

Es gibt nicht nur zwei Arten von Maßtabellen. Wenn du Maßtabellen einmal genauer vergleichst, wirst du auch sehen, dass es zwischen den Körpermaßtabellen Unterschiede gibt und zwischen den Fertigmaßtabellen auch. Das liegt daran, dass es nicht “die eine” gültige, gesetzlich geregelte Maßtabelle gibt, sondern dass jede der oder die Kleidung oder Schnittmuster herstellt, eine eigene Maßtabelle erstellen kann.

Eine Zeit lang war es üblich, eine standardisierte Maßtabelle zu nutzen. Du kennst vielleicht noch die sogenannten “DOB-Maßtabellen”, die früher in den Umkleidekabinen von Kaufhäusern aushingen. DOB steht für Damenoberbekleidung und es scheint früher so gewesen zu sein, dass alle Herstellerinnen von Damenbekleidung diese Maßtabelle nutzen, denn vermutlich haben sie sie über die Mitgliedschaft in ihrem Verband auch gemeinsam bezahlt.

Diese Aushänge habe ich aber auch schon lange nicht mehr gesehen. Mittlerweile habe ich das Gefühl, das jeder macht was er will. Das liegt vermutlich daran, dass diese Maßtabelle von 1995 heutzutage einfach nicht mehr gültig ist. Wie du vielleicht schon mal gelesen hast, haben sich die Körperformen etwas geändert. Deswegen bräuchte es eigentlich eine neue, akutalisierte DOB-Maßtabelle. Da so eine zu erstellen aber teuer ist und nur eine handvoll Unternehmen sich zuletzt geeinigt hat, eine Neuauflage zu starten (mit Körperscannern) und dafür zu bezahlten, machen die anderen eben, was sie wollen.

Wie wird eine Maßtabelle erstellt?

Um eine Maßtabelle zu erstellen, müssen viele Menschen vermessen werden. Damit nicht jeder Mensch eine eigene Spalte in der Maßtabelle erhält, werden möglichst ähnliche Menschen in Gruppen eingeteilt. Strenggenommen müsste deswegen das einzelne Feld einer Maßtabelle eine “von bis” Angabe enthalten, weil zum Beispiel die Frauen mit einem Brustumfang von 85 cm bis 90 cm einer Gruppe zugeteilt werden. Da das aber unübersichtlich wäre, wird einfach der Mittelwert der Gruppe genommen und so steht in jedem Feld nur eine Zahl.

Aber warum braucht es überhaupt Maßtabellen und seit wann gibt es diese?

Maßtabellen gibt es erst, seit dem Kleidung nicht mehr für einzelne, individuelle Menschen hergestellt wird. Vermutlich gibt es sie seit Beginn der Massenkonfektion. Als es industriell möglich wurde, Kleidung mit Maschinen und in größeren Mengen billiger herzustellen, wurde eben nicht mehr für die Einzelne produziert, sondern stets für eine Gruppe von Menschen. Dafür braucht es Konfektionsgrößen und dazugehörige Maßtabellen. Es wird also nicht ein Kleidungsstück nur in einer Größe produziert, sondern in mehreren Größen, damit die Treffsicherheit, dass es den Menschen schon irgendwie passt, höher ist.

Deswegen gibt es Konfektionsgrößen bzw. Kleidergrößen. Diese können sehr unterschiedlich benannt sein. Kennen wir doch aus anderen Ländern abweichende Größensystem von unseren 34,36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54 und so weiter. Andere Länder nutzen andere Zahlen oder Buchstaben wie S, M, L und XL. Im Prinzip ist es egal, wie diese Größen heißen – es handelt sich immer um ein System, Menschen in Gruppen einzuteilen und durch diese Zahlen die Körperformen vereinfacht zu beschreiben.

Von der Wunschkundin zur Maßtabelle

Wie die Menschen in Gruppen eingeteilt werden, das entscheidet die Bekleidungsmarke oder die Schnittmusterherstellerin. Diese Entscheidung erfolgt nicht zufällig sondern strategisch. Es hat damit zu tun, für wen die Kleidung oder die Schnittmuster produziert werden. Deswegen hat jedes Label eine sogenannte Wunschkundin.

Die Wunschkundin oder ideale Kundin entspricht mit ihrem Körperbau, ihrer Größe, ihrer Figur, ihre körperlichen Form, ihrem Alter etc. den Vorstellungen, an wen das Unternehmen verkaufen möchte. So unterscheidet sich die Figur eines jungen Mädchens signifikant von einer erwachsenen Frau mittleren Alters. Aber auch die Art des Körperbaus und die Wunschfigur spielen eine Rolle. Soll Mode bzw. Schnittmuster für eher sportliche Frauen hergestellt werden oder ist ein ganz anderer Typ Frau die Zielgruppe. Wer etwas verkaufen will, überlegt sich vorher an wen und richtet dann alle Bemühungen darauf aus.

Genau so eine “ideale Wunschkundin” wird dann vermessen und ist damit die “Muse” des Bekleidungs- oder Schnittmusterherstellers. Da es sich nicht lohnt, Bekleidung nur in einer Größe herzustellen, wird diese Wunschkundin extrapoliert: man überlegt, wie der Körper dieser Frau aussehen könnte, wenn sie insgesamt größer/breiter oder kleiner/schmaler wäre. Damit aus diesen Überlegungen Größengruppen entstehen, werden sogenannte Sprungwerte bestimmt. Die Maße der Wunschkundin werden von Größe zu Größe im gleichen Abstand größer, damit eine gleichmäßige Gruppeneinteilung entsteht. Dabei “springen” die Sprungwerte nicht an allen Körperbereichen gleich, denn es wäre ja unsinnig, bei jeweils 5 cm mehr Brustumfang auch zur nächsten Größe 5 cm Schulterbreite zuzugeben.

Warum Körpermaß- und Fertigmaßtabellen?

Jetzt ist dir bestimmt klarer, warum es so unterschiedliche Maßtabellen gibt, aber eine Frage habe ich noch nicht beantwortet. Warum gibt es den Unterschied zwischen Körpermaß- und Fertigmaßtabellen? Ich vermute, dass die Art und Weise, wie Schnittmuster (egal ob für die Bekleidungsproduktion oder für Hobbyschneiderinnen) entwickelt werden.

Während ein großes Unternehmen vermutlich mit mehreren Designerinnen und einer irgendwann festgelegten Körpermaßtabelle arbeitet, werden heutzutage viele Schnittmuster für Hobbynäherinnen von kleineren Labels angeboten, bei denen die “Muse” oder “Wunschkundin” die Schnittmusterverlegerin selbst ist. Genauer gesagt wird vermutlich oft ein Schnittmuster für sich selbst entwickelt und so lange optimiert, bis die Schnittmusterverlegerin zufrieden ist. Aufgrund dieses fertigen Kleidungsstückes werden dann weitere Größen entwickelt. Es ist also gar nicht nötig mit einer Körpermaßtabelle zu arbeiten, wenn ein fertiges Kleidungsstück der Ausgangspunkt für die Gradierung in verschiedenen Größen ist. Also wird dem Schnittmuster auch eine Fertigmaßtabelle beigelegt.

Ob es nur eine oder zwei Maßtabellen gibt, ist ein Kostenfaktor, denn gearbeitet wird bei der Erstellung von Schnittmustern nur mit einer Tabelle. Wird den Hobbyschneiderinnen eine zweite Maßtabelle zur Verfügung gestellt, dann ist das Service. Dieser Service, diese zweite Tabelle kostet Geld und letztlich ist es eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob dieser zusätzliche Service das Schnittmuster besser macht und die Ausgabe wert ist.

Warum ich zwei Maßtabellen bei Schnittmustern gut finde, wie ich sie interpretiere und für die Größenwahl nutze, das erzähle ich in der nächsten Episode des Passt Podcast von crafteln.