Es gibt Sätze, die höre ich immer und immer wieder bei meinen Kundinnen. Dieses “Früher hatte ich mal eine Taille” ist einer davon. In dieser Aussage steckt oft so viel Trauer, Resignation oder Scham. Und im Gegensatz zu Aussagen über andere Körperbereiche spüre ich, wie wichtig genau diese Körpermitte für die Frauen mittleren Alterns, mit denen ich zu tun habe, ist. 

Aber von Anfang an. Da durch die Blogparade von den Lemondays vermutlich ganz viele Frauen auf meine Seite kommen, die mich noch nicht kennen, sollte ich mich erst einmal vorstellen. Hallo, schön, dass du her gefunden hast. Ich bin Meike und ich ich unterstützte Frauen dabei, sich selbst gut passende Kleidung zu nähen.

 

Wer für sich näht, muß wissen, wie der eigene Körper aussieht – da hilft kein Wegschauen. Da der Körper sich im Laufe des Lebens verändert, aber durchaus der Eindruck entstehen könnte, dass Kleidung insbesondere für junge, schlanke, mädchenhafte Körper entworfen wird, bleibt den allermeisten Frauen gar nichts anderes übrig, als Schnittmuster auf die eigene Figur anzupassen, wenn sie gut passende, figurumschmeichelnde Kleidung tragen wollen, die sie schön und stark macht.

 

Blogparade Lemondays

Vor zwei Jahren habe ich schon mal bei einer Lemondays-Blogparade gemacht und als ich eben meinen Beitrag zur Blogparade von 2017 dazu las dachte ich “ach, da steht doch eigentlich schon alles drin” – das stimmt irgendwie, trotzdem möchte ich heute auf diesen ganz besonderen Bereich der Mitte und der Lebensmitte noch mal genauer schauen, denn in den Wechseljahren passiert eine ganze Menge mit unserer Körpermitte.

Und für meine Blogleserinnen: Lemondays ist ein Onlinemagazin für einen entspannten Umgang mit den Wechseljahren. Blogparade bedeutet: einen ganzen Monat lang gibt es ganz verschiedene Beiträge rund um das Thema der diesjährigen Blogparade auf verschiedenen Blogs, Podcasts und auch als Videos. Dieser Blog- und Podcastbeitrag von mir, ist Teil der Blogparade und wie du dir denken kannst, wenn du mich schon ein bisschen länger kennst, habe ich zwar mit der Überschrift der Parade “Bye bye Traumfigur – wie geht das mit dem Wohlfühlgewicht ab 40? Oder 50?” so meine Probleme. Aber da ich das Thema Wechseljahre spannend und viel zu wenig beachtet finde, wollte ich gerne einen Beitrag beisteuern. Ganz unten habe ich noch ein paar Links für dich zu anderen Beiträgen der Blogparade, aber jetzt geht es erstmal los mit meinem Beitrag.

 

Liest du noch oder hörst du schon?

Möchtest du lieber hören oder lesen? Blogpost und Podcastepisode sind inhaltlich ähnlich, aber nicht identisch.

Den Podcast kannst du über den Player hier auf dem Blog hören oder du bekommst ihn fast überall dort, wo du gerne Podcast hörst:

Über ein paar freundliche Worte oder/und ein paar Sternchen zur Bewertung des Podcasts bei itunes/apple-Podcasts würde ich mich sehr freuen! 

Alle Informationen zum Passt-Podcast sowie Links zu allen Episoden findest du hier: *klick*

Doch jetzt geht es endlich los, mit meinen Gedanken zu Taille, Taillierung und zu den Wechseljahren.

Einsicht und Abschied

Mein Eindruck ist, dass gerade deswegen so viele ältere Frauen zu mir finden, weil sie irgendwann den Glauben darn verloren haben, nochmal etwas an Entscheidendes an ihrer Figur zu ändern. Während junge Mütter lange Zeit an ihrem “After-Baby-Body” leiden (ein furchtbares Wort und absolut kein schlimmer Körperzustand) und alles mögliche dafür tun, diesen neuen Körper wieder loszuwerden, gibt es irgendwann im Leben vieler Frauen einen Zeitpunkt, an dem die Erkenntnis da ist, das es möglicherweise doch nicht mehr möglich ist, den Körper dauerhaft in (die gewünschte, die idealisierte) Form zu bringen. Vielleicht ist es möglich an Gewicht zu verlieren und Muskeln zu trainieren, doch jugendlich wird der Körper davon auch nicht mehr. Ein Körper in den mittleren Jahren, sieht einfach anders aus, als der Körper einer jungen Frau und obwohl der Alterungsprozess eigentlich alle Körperbereiche betrifft, scheint der Verlust der Taille das größte Bedauern auszulösen.

Lustigerweise hatte ich das erste Mal das Gefühl, nicht mehr ganz taufrisch zu sein, als immer mehr Freundinnen von mir plötzlich Lesebrillen hatten und dramatisch damit herumfuchtelten. Mir war klar, dass mein Weg zur Gleitsichtbrille auch nicht mehr lang war. Den körperlichen Verfall hatte ich weniger im Blick – doch nicht aus mangelndem Sehvermögen, sondern der Tatsache geschuldet, dass ich erst spät ein Kind bekam. Während meine Freundinnen sich über körperliche Veränderungen grämten, war ich verdammt stolz auf meinen Körper, dass er ein Kind produziert hat. Was kümmern da schon ein paar graue Haare.

Ganz sicher gab es aber noch einen anderen Grund, weswegen ich den Verlust der Taille nicht bedauerte. Da ich schon länger eine dicke Frau war, hatte ich sowieso wenig Anlass, meine Wert über den Körper zu bestimmen. Mein Fokus lag auf Geist und Witz und die werden im Alter hoffentlich einfach mehr.

 

Die Sanduhrfigur als Ideal

Die Taille. Schön früh lernen wir, dass die Taille erstrebenswert, wertvoll und gut ist. Dort, wo der weibliche Körper besonders wenig sein soll, ist sein wertvollstes Stück. Schon komisch irgendwie. Aber wir haben das verinnerlicht und denken nur selten darüber nach. Als Kind habe ich mit meiner Mutter die alten Filme gesehen mit Frauen in schicken Kostümen und Wespentaille und natürlich Sissy. Aber immerhin hatten wir noch die kleine, niedliche etwas pummelige Biene Maja.

Allerdings wird den Kindern von heute eine überarbeitete Version der Biene Maja gezeigt, die an Mangas erinnert und einen großen Kopf mit Kulleraugen über einem dazu unverhältnismäßig kleinen Körper hat. Auch andere Kinderfiguren, wie Bob der Baumeister bekamen eine Rundumerneuerung von knuddelig zu dynamisch. Kinder lernen dadurch, das ein dicker Körper minderwertig ist und entwickeln die Sehgewohnheit, dass ein schöner Körper eben eine Taille braucht. Rund 67 Prozent der weiblichen Figuren in animierten Kindersendungen haben ein Taillen-Hüft-Verhältnis das unterhalb des anatomisch möglichen liegt.* Das ist krass, oder? Aber es prägt eben unsere Sehgewohnheiten.

(* Die Veränderung der Figuren in den Medien ist mir schon öfter über den Weg gelaufen. Zuletzt las ich davon in einem Artikel von Natalie Rosenke in dem Buch “Fat Studien in Deutschland”. )

Die Taille steht für Fruchtbarkeit, Attraktivität und Jugendlichkeit

Aber warum die Taille? Was gefällt uns an der Taille so sehr? Die Taille steht für Fruchtbarkeit, Attraktivität und Jugendlichkeit. Angeblich sind Frauen mit einer ausgeprägten Hüft-Taillen-Differenz besonders fruchtbar. Neben der schlanken Taille, die für Jugendlichkeit und/oder Disziplin steht, ist gerade der Kontrast zu den breiteren Hüften und Brüsten das, was landläufig unter “sexy” verstanden wird.

Auch wenn das allseits bekannte 90-60-90 beileibe heutzutagen kein Schönheitsideal mehr ist (heutzutage würde man dazu vermutlich übergewichtig sagen), wir sind von diesen Zahlen und den Filmen unserer Kindheit geprägt und mögen sie einfach, diese Sanduhrform des Körpers mit einer schlanken Taille. Unsere Sehgewohnheiten können nicht irren – seit Jahrzehnten wird uns Mode an schlanken Frauen präsentiert. Das mußt einfach schön sein. Oder?

 

Wer sind wir “ohne Taille”?

Und dann, was machen wir, wenn die Taille verschwindet, wenn das Leben, Schwangerschaft oder Wechseljahre den weiblichen Körper verändern? Wir erleben Verlustgefühle in dem Moment, in dem wir realisieren, dass es nie wieder so ein wird. Irgendwann verstehen wir, dass es nicht mehr so einfach ist, zwei, drei Kilo zu verlieren und den “Werkszustand” wieder herzustellen.

Wir müssen lernen, mit dem veränderten Körper klar zu kommen. Wir erleben Unsicherheit, ob des Neuen und stellen uns immer öfter die Frage “wer bin ich eigentlich?”. Das in den Medien, in der Öffentlichkeit eigentlich nur Frauen mit Taille zu sehen sind, macht es nicht leichter. Wir brauchen gerade in den Umbruchsphasen des Lebens Vorbilder. Aber in der Öffentlichkeit ist davon nicht viel zu sehen. Die Taille erscheint als der anzustrebende Zustand schlechthin. Taille gut, alles gut.

 

Schnittmuster, Stadtmantel, Knitterkleid, Mantel aus Walk, Wollwalk

Meine Lösung: Taillierung statt Taille

Meine Lösung ist es, eine Silhouette mit taillierter Kleidung zu formen, auch wenn der Körper diese Silhouette gar nicht aufweist. Mit eher festen, nicht elastischen Stoffen und dem Wissen darüber, wie Schnittmuster zu Maßschnittmustern gemacht werden können, kann ich Kleidungsstücken eine eigene Silhouette verleihen. Wir kennen das alle: Männer in gut sitzenden Anzügen sehen gut aus – weil die Anzüge eine tolle Form verleihen. Da gibt es hier Schulterpolster und dort geschickt eingesetzte Abnäher und schon wirkt der Horst von um die Ecke viel dynamischer als in der Alltags-Jeans.

Wenn die Taille angeblich so bedeutend ist, ja dann nähen wir uns einfach eine! Dann nähen wir uns Kleidungsstücke, die eine Taillierung haben und die unseren Körper curvy aussehen lassen, auch wenn sich darunter ein runder oder ein kastiger Körper verbirgt. Weil wir es können! Oder weil wir es lernen können!

Dieser Gedanke liegt insbesondere deswegen nahe, weil Kaufkleidung uns dies genau nicht bietet. Kaufkleidung für Frauen “ohne Taille” ist meistens weit geschnitten. Kaschieren wird uns als Lösung verkauft. Weiche Stoffe, die sanft die Körpermitte umhüllen und uns die Silhouette einer Litfasssäule verleihen. Ich weiß, dass viele Frauen sich genau damit wohler fühlen. Aber finden sie sich auch schön?

 

Eine Taillierung können wir mit unseren eigenen Händen schaffen

Als ich verstand, dass ich eine Taille habe, dass sie nur mittlerweile unter dem Bauch liegt, fühlte ich die Kraft, die aus der Körpermitte kommt. Ja, da ist etwas Neues und es ist nicht nur der Bauch, der sich über der Taillenregion breit gemacht hat. Ich bin dazu in der Lage, mir Kleidung zu nähen, die mir mit meinen alten Sehgewohnheiten gefällt. Aber weil ich weiß, dass ich sie mit eigenen Händen geschaffen habe, weiß ich auch, dass das nur eine Übergangslösung ist. Wenn ich es geschafft habe, mich von Fruchtbarkeit und Jugendlichkeit zu verabschieden – wer weiß, ob ich dann überhaupt noch eine Taille brauche. Aber bis dahin, nähe ich mir einfach eine.

In der Podcastepisode von nächster Woche schließe ich an diese Gedanken an und erkläre, was das Obendrüber mit dem Untendrunter zu tun hat und warum eine Taillierung nähen uns noch viel mehr Kraft gibt als Shapewear. Sei gespannt!

 

Alle Blogparadenbeiträge auf einen Blick

Spannend oder, diese ganze Wechseljahresgeschichte. Ich erlebe die Wechseljahre wie eine zweite Pubertät  – ich bin ganz schön durcheinander. Deswegen freue ich mich über jeden Beitrag, in dem ich mehr über dieses doch viel zu wenig besprochene Thema ein paar Aha-Effekte erfahre – gerade weil alle Autorinnen der Parade aus ganz unterschiedlichen Perspektiven schreiben. Falls du auch noch mehr lesen möchtest, hier sind die Links zu den bisher erschienen Beiträgen der Blogparade:

„Bye, bye Traumfigur“von Yogalehrerin und Ayurvedacoach Sunita Ehlers

„Wohlfühlgewicht? Ist Gewicht, das sich bei mir wohlfühlt“ – von PR-Referentin und Biologin Dr. Heike Specht

Traumfigur? Wohlfühlgewicht? Wenn die Brezel mit dem Hosenknopf …von Anja Rödel

Von kleinen Tierchen, Emotionen und Gelassenheitvon Ordnungsexpertin Ursula Kittner

Was Frauen ab 40 anders machen müssen, wenn sie abnehmen wollen von Hormoncoach und Person Trainerin Rabea Kieß

5 Tipps, wie Du Deinen Stoffwechsel in den Wechseljahren wieder richtig anheiztvon Mentalcoach, Apothekerin und Stoffwechsel-Expertin Ann-Kathrin Kossendey-Koch

Wechseljahre und Wunschgewicht von Wissenschaftlerin Dr. Heike Franz

Warum Dein steigendes Gewicht ab 50 nichts mit dem Alter oder den Wechseljahren zu tun hat  von Buchautorin Alexandra Eideloth