Es gibt einen neuen Hashtag – ich gestehe: kurz ist er nicht, aber es geht ja auch um große Dinge. Es geht um große Größen, Plus Size oder curvy, um dicke Frauen, fette Frauen, mollige Frauen oder wie ihr sie auch immer nennen mögt. Es geht um mich und vielleicht auch um dich. Im Mail schreibe ich eine ganze Blogserie unter dem Hashtag #dascurvycraftelnplussizeprojekt

Ich beginne mit meiner dicken Geschichte oder genauer gesagt, ab wann und wie ich zur dicken Frau wurde. Wann das genau war, kann ich gar nicht so genau sagen. Fotobeweise gibt es davon jedenfalls nicht, denn ab dem Teeniealter habe ich fotografiert zu werden, so gut es ging vermieden. Im Nachhinein finde ich das schade, aber im Nachhinein ist frau immer klüger.

 

Dick = nicht normal

Jedenfalls stellte ich irgendwann fest, dass ich nicht “normal” bin bzw. dass es in den normalen Geschäften nicht viel für mich zum Anziehen zu kaufen gab. Wann das genau war, kann ich auch nicht mehr so genau sagen, denn zu meiner Studienzeit und den darauf folgenden Jahren in Berlin, habe ich mich sowieso nicht für die aktuelle Mode interessiert und kaufte viel Second Hand.

Ich bemerkte sehr wohl, dass es für mich irgendwie schwieriger war, als für schlanke Freundinnen, aber ich kann mich nicht wirklich an Besuche in Plus-Size-Geschäften erinnern. Das kann aber auch daran liegen, dass Shopping für mich mehr Notwendigkeit als Hobby war. Es war einfach nicht so wichtig. Es gab so viele andere wichtige Sachen und wenn ich mich selbst beschrieb, dann wollte ich lieber klug als hübsch sein.

 

Frisch, flott und jugendlich waren nicht die Adjektive, die ich hören wollte

Doch immer dann, wenn ich ein Geschäft mit Kleidung für große Größen betrat, fand ich es furchtbar. Ich hatte Schwierigkeiten, überhaupt etwas einigermaßen Schönes zwischen den wilden Mustern und großformatigen Säcken zu finden und wenn die Verkäuferinnen dies auch noch mit “flott” oder “macht schlank” kommentierten, hätte ich den Laden am liebsten wieder rückwärts und ohne etwas zu kaufen verlassen. Aber Hosen fand ich nur in diesen Geschäften, also mußte es sein. Oberteile etc. improvisierte ich irgendwie. Vermutlich trug ich ziemlich viel Männerkleidung.

 

Lieber ein “Inbetweenie” als offiziell dick

Vermutlich war ich lange Zeit ein “Inbetweenie”, wie frau das heutzutage neudeutsch nennt und trug irgendwas zwischen 42 und 46. Das ist zwar nach den üblichen Maßstäben immer noch zu fett, aber es gibt hier und da noch etwas zu kaufen. Außerdem war ich es gewohnt, an Kleidung zu zuppeln, eine Haltung einzunehmen, die das Klaffen der Bluse verhinderte und den Bauch einzuziehen. Irgendwie mogelte ich mich lange Zeit damit durch, um nur ja nicht offiziell dick zu sein.

Interessanterweise hatte ich größere Schwierigkeiten damit, mich als dick zu bezeichnen, als dick zu sein. So war ich eben. Ich sah anders aus, als meine Freundinnen, aber wir waren ja alle verschieden. Dass nicht alle Jungs auf mich standen war manchmal doof, oftmals aber auch erleichternd. Aber Schwierigkeiten zu haben, etwas passendes zum Anziehen – gerade für besondere Anlässe – zu finden, fand ich wirklich anstrengend. doch “Anlässe” gab es nicht so häufig und beruflich wählte ich einen Weg, an dem es nicht so darauf ankam, was ich an Kleidung trug. War das die Henne oder das Ei? Wählte ich diesen Weg oder war es mir schlichtweg nicht möglich, so moppelig Karriere zu machen?

 

Die ganze Zeit versuchte ich, kein Alien zu sein

Rückblickend war diese Zeit ein andauernder Kampf, kein Alien zu sein. Ich habe dauernd versucht, ganz normal zu sein, überall mitzuhalten und mitzumachen und ich mogelte mich mit eingezogenem Bauch irgendwie durch. “Normal” das war das Non-Plus-Ultra für mich, mal mehr und mal weniger bewußt.

Es gab immer wieder Zeiten, in denen ich es verfluchte nicht zu rauchen. Fast alle rauchten um mich herum und fast alle waren schlanker als ich. Trotzdem fand ich es so unglaublich unsinnig, das teure und gesundheitsschädliche Rauchen in Erwägung zu ziehen, nur um “normal” zu sein. Alle paar Jahre machte ich eine Diät und wurde anschließend noch dicker. Das war also, genau wie das Rauchen keine geeignete Lösung, um dem Gefühl, normal zu sein, näher zu kommen.

Es gab allerdings auch genügend Phasen in meinem Leben, in denen ich dem dick-sein kaum Gedanken schenkte. Aber damals hatte ich auch noch nicht die Erkenntnis, das ich Nachteile deswegen haben könnte, die über die Schwierigkeiten, einen Partner zu finden, hinaus gehen könnten. Ich glaubte, ich könne (beruflich) alles erreichen, wenn ich mich nur genügend anstrengen würde. Also konzentrierte ich mich darauf und gab mir Mühe auch mit eingezogenem Bauch erfolgreich zu sein.

 

Ab der 5 davon ist es eindeutig – mit Größe 52 bist du dick

Ich kann also nicht sagen, ab wann ich dick war. Es war irgendwann da und es blieb. Weil die unterschiedlichen Bekleidungsmarken unterschiedliche Größensysteme haben, war es möglich, sich irgendwie durchzumogeln. Doch irgendwann war ich klar “Plus-Size”.

Irgendwann stand da keine 4 mehr vorne, sondern eine 5. Ab Größe 52 war es klar: ich bin dick. Erstaunlicherweise war das kein Paukenschlag – insofern kann ich mich tatsächlich nicht mehr an den Zeitpunkt erinnern, wann das der Fall war. Schon erstaunlich, wo überall so ein Gewese darum gemacht wird!

 

Was ich daraus lernte?

Größen sind relativ. Jede Marke macht ihr eigenes Größensystem. Also sind die Zahlen doch im Grund egal. Viel entscheidender ist doch, welche Botschaft da mitschwingt. Ich verstand damals noch nicht, wieso Plus-Size-Kleidung so komisch aussieht.

Ich hatte noch überhaupt keine Ahnung davon, wie unterschiedlich dicke Körper aussehen können und wie schwierig es ist, Konfektionskleidung für diese Vielfalt an dicken Körpern zu produzieren. Die eine hat “das mehr” hier und die andere da. Also werden Säcke genäht und auf lustig designt. Das dicke Frauen vielleicht auch Lust auf Mode haben und keine Bärchen auf dem Shirt tragen wollen, das schien lange Zeit einfach völlig unbekannt. Glücklicherweise hat sich da in den letzten Jahren einiges geändert. Doch darüber schreibe ich in einem anderen Blogbeitrag. Stay tuned!