Der Diane-Keaton-Mantel und ich, wir hatten es nicht leicht miteinander. Vielleicht erinnert ihr euch noch daran, dass ich vor ungefähr einem Jahr verkündete, ich müsse nun unbedingt einen weißen Mantel haben. Es war einer dieser Momente, in der sich plötzlich sich eine dieser Ideen im Kopf festsetzt, die ich mir als Hobbynäherin zwar erfüllen kann, bei der ich mich im Nachhinein aber manches Mal fragte, ob ich nicht ein Rad abhabe…

Kind geht endlich alleine auf Spielplätze, Muddi ist endlich wieder mehr in Erwachsenenmission unterweg – wieso eigentlich nicht mal so etwas verrücktes machen, wie einen weißen Mantel tragen. Dazu muß ich sagen: ich besaß, außer einem T-Shirt oder einer weißen Bluse, noch nie ein weißes Kleidungsstück. Weil ich zu Slapstick, Kleckern und Stolpern neige, ist das vermutlich auch besser so. Doch eines Tages hatte ich das Gefühl, nicht mehr ohne einen Diane-Keaton-Mantel leben zu können. Ich wollte auch so eine coole, erwachsene Frau sein.

Vor dem Nähen hatte ich den Frust, das mein Mann behauptete, der Walk würde stinken. Ja, das tat er dann auch 3 Monate auf dem Balkon. Vielleicht hätte ich ihn doch waschen sollen? Ich traute mich nicht und beschloss, den champagnerweißen Stadtmantel erstmal zu nähen, dann könnte ich ihn ja auch noch reinigen lassen, nachdem ich ihn in Form gebracht hatte. Tja und dann begann ich zu nähen und es war einfach wunderbar, wie sich die Teile zusammenfügten und recht schnell so etwas wie ein Mantel entstand. Ich hatte mal wieder ganz große Stokxschnittmusterliebe. Das Vergnügen dauerte bis ich zwei Dinge feststellen musste: 1. ich hatte mich für eine zu große Größe entschieden und 2. mein gepunktetes Futter sah man durch.

Dann begann eine mehrmonatige Odyssee. Ich kaufte verschiedene Materialien für Blende und Belege, die mir später doch nicht gefielen (grünen Köper, bronzefarbenes Kunstleder, schwarzen Köper) und suchte nach alternativ passendem Ärmelfutter. Mittlerweile hatte ich immerhin schon kapiert, dass auch die Schulterbelege durchscheinen würden, wenn ich ein dunkles Material für Stoff2 nehmen würde und sah glücklicherweise davon ab, erstmal zur Probe die schwarzen Belege einzunähen. Irgendwann landete ich dann bei einer langweiligen Kombination des Walks mit champagnerfarbenen Satin und Futter. Dann nähte ich den Mantel enger und war plötzlich überhaupt nicht mehr überzeugt von meiner Idee, auch nur im Entferntesten so aussehen zu können, wie Diane Keaton.

Als der Mantel endlich fertig war und ich ihn bei 28 Grad in der Bude vor dem Spiegel probierte, entdeckte ich, dass die Nahtzugaben und die Abnäher durchscheinen, sobald ich dunkle Kleidung unter dem Mantel trage. So ein Mist, ich hatte die dünne Version des eigentlich tollen Walklodens vom Roten Faden erwischt!. Ich bestellte Stoff für ein weißes Kleid und eine weiße Strickjacke, ich verschob den Termin beim Friseur und für das Fotoshooting fürs Deckblatt des Schnittmusters. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich den Mantel dann fast endgültig in die Ecke geworfen. Ich war so traurig. Das Schnittmuster ist toll, der Mantel hätte so schön sein können!

Als ich auf meiner Lesereise im Herbst den Mantel “Hartmut” dabei hatte, fluchte ich wie jedes Jahr, dass der Mantel zwar farblich sehr hübsch, aber irgendwie auch schrabbelig aussieht, denn er ist nur pur verarbeiteter Walk ohne jegliche Raffinesse. Ganz abgesehen davon, dass es unmöglich ist, ihn zu verschließen. Zähneknirschend nähte ich den weißen Mantel fertig und gab ihm noch eine Chance. Ich trug ihn mit einem riesigen gestrickten Tuch und hoffte, dass die Menschen nur Augen für das Tuch hätten.

Tuch: “Vertice Unite” von Stephen West

Wolle: Brushed Alpace Silk

Stoff: Walk, Futter und Satin

Schnittmuster: Stadtmantel

Und dann passierte etwas merkwürdiges: fortan trug ich ihn ständig! Ich weiß, er ist zu groß und ich weiß, die Nahzugaben scheinen durch und ich weiß, ich sehe überhaupt nicht aus, wie Diane Keaton. Aber der Mantel trägt sich fantastisch bei Temperaturen um die 10 Grad. Im Büro fröstele ich oft und habe eine warme Strickjacke dabei – für Draußen den dünnen Mantel darüber, ein großes Tuch dabei und es ist für mich einfach perfekt. Bei Temperaturen unter 4 Grad, lasse ich ihn zuhause. Aber ich bin erstaunt, wie oft ich mich morgens für den eigentlich missglückten weißen Stadtmantel entscheide. So ganz falsch, kann er also doch nicht sein. Also zeige ich ihn bei rums.

Weil ich das Schnittmuster so großartig finde, werde ich den Mantel noch mal nähen. Eine gemusterte Version ist schon zugeschnitten, ein grauer Mantel muß auch noch her und für den Frühling will ich unbedingt noch einen Stadtmantel in frühlingsfrischer Farbe. Nur nicht mehr weiß, zu hell darf der Walk für einen teilgefütterten Mantel nicht sein. Jetzt wisst ihr bescheid. Dann müsst ihr den gleichen Fehler wie ich ja nicht auch machen, denn es wäre doch schade um den teuren Walk und das tolle Schnittmuster!