Und: Warum ich ohnehin nicht an Perfektion glaube

Heute geht es der Perfektion an den Leib. Das ist eines meiner Lieblingsthemen, insbesondere deshalb, weil ich oft falsch verstanden werde. Ich will euch gar nicht davon abhalten, zu trennen, wenn etwas nicht ordentlich genäht wurde oder einen neuen Versuch zu starten, wenn euch die Passform nicht gefällt. Aber ich möchte euch das Hintergrundwissen vermitteln, euch die Stellschrauben zeigen, so dass ihr Werkzeuge in der Hand habt, die Höhe der Latte selbst zu bestimmen, statt an Perfektionswünschen zu verzweifeln. 


In diesem Blogpost bekommst du eine Zusammenfassung der Inhalte der Podcastepisode. Im Podcast selbst, erzähle ich noch etwas ausführlicher.

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Darum geht es in Episode #45

Heute geht es um Perfektion, um 100 %. Um das, was in meinen Augen nur wirklich schwer zu erreichen ist oder sogar vielleicht gar nicht. Ich weiß, dass wir alle irgendwie eine Sehnsucht nach Perfektion haben, deswegen geht es in der heutigen Episode des Passt Podcast, um einen Umgang mit dieser Sehnsucht. 

Wenn wir schon nähen, dann soll es doch bitte auch perfekt sein. Den Wunsch kann ich verstehen. Wenn wir uns schon nicht mit Massenkonfektion zufrieden geben wollen und einfach das kaufen, was in den Läden hängt, wenn wir nur für uns, für unseren individuellen Körper nähen, dann soll es doch auch genau so werden, dass es zu unserer Einzigartigkeit passt. 

 

Wenn wir schon nähen, dann soll das Ergebnis perfekt sein

Wie gesagt, den Wunsch kann ich gut verstehen – das ist ja auch einer der Gründe, wieso ich Schnittanpassung unterrichte. Ich möchte euch dabei unterstützen, euch gut passende Kleidung zu nähen. Ich zeige euch, wie ihr euren Körper analysiert, wie ihr ihn vermesst und wie ihr diese Erkenntnisse mit dem Schnittmuster in Einklang bringt. Ich zeige euch, wie ihr ein Schnittmuster zu einem Maßschnittmuster macht und was ihr beim Finetuning unternehmen könnt, um euer Nähwerk noch passender zu machen. Ich glaube auch fest daran, dass jedes Kleidungsstück, das ihr im Vorfeld auf eure Maße hin kontrolliert und verändert habt, viel viel besser wird, als dieses einfach-drauf-los-nähen. Das kann ich euch sogar versprechen. Nur Perfektion versprechen, das kann ich leider nicht. 

 

Es ist eine Abwägung zwischen Perfektion und dem benötigten Aufwand

Ich glaube nicht an Perfektion. Ich glaube, dass 100 % nicht erreichbar sind – oder dass es zumindest bei einigen Dingen, verdammt lange dauert. Da bin ich Realistin und Ökonomin. Ich überlege mir auch stets, ob der Aufwand wirklich lohnt. Mit welchen Kosten, mit welchem Aufwand, mit welcher Zeit ist es verbunden, etwas besser und noch besser und noch besser zu machen, um der Perfektion möglichst nahe zu kommen? Rentiert sich das? „Das kommt darauf an.“ finde ich, denn nicht jedes Projekt ist es wert, dass wir alles wochenlang stehen und liegen lassen, um beim 97. Versuch den 100 % schon ganz nahe zu kommen. Mein Leben lässt in der Regel keine 97 Versuche zu – meine Geduld auch nicht. Irgendwo zwischen einmal-und-wenn-das-nicht-klappt-ab-in-die-Tonne und den beispielhaften 97 Versuchen liegt vermutlich die Wahrheit. Und diese Wahrheit ist mit dem Eingeständnis verbunden, dass eben keine 100% erreicht wurden. 

Die Frage ist, was wir mit dieser Erkenntnis machen: sind wir froh, weil wir etwas fertig gemacht haben und freuen wir uns an dem Ergebnis, selbst wenn es nicht perfekt ist. Oder schauen wir immer nur auf die Makel und grämen uns. Auch hier liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo in der Mitte, denn jede Hobbynäherin kennt diese Macken an ihren Nähwerken, die ganz fürchterlich stören, die aber außer uns kein Mensch sieht. Das meinte ich in der letzten Podcastepisode mit „Für meine Verhältnisse gut“. Es liegt im Auge der Betrachterin, wie das Ergebnis bewertet wird. 

 

Wie perfekt bist du?

Wir sind aber alle auch nicht 100% Gelassen und haben die heilige Stufe der zufriedenen Erleuchtung lange noch nicht erreicht. Vermutlich brauchst du – genau wie ich – noch mehr Argumente, warum es vernünftig ist, schon vor Erreichen der Perfektion das Gelingen eines Projektes zu feiern. Mir half die Erkenntnis, dass andere auch nur mit Wasser kochen und das auch bei ihnen nicht alles Gold ist, was glänzt. 

Mein Lieblingsbeispiel sind die Stehhosen. Hast du schon mal Kaufhosen oder Beispiele selbstgenähter Hosen im Internet gesehen, die im Sitzen gezeigt wurden? Oder siehst du häufiger Bilder von Hosen, in denen vor dem Fotografieren ein ganzer Tag gesessen wurde. Wie häufig siehst du Bilder von der Hosenrückseite? Und wie häufig siehst du Hosen an Menschen, die keine Idealfigur haben? 

 

“Stehhosen” erzeugen falsche Erwartungen

Wenn ich an Hosen in Magazinen oder im Internet denke, dann denke ich an Hosen, die ganz anders aussehen, als die Hosen, die ich sehe, wenn ich mit offenen Augen durch die Welt gehe. Die Hosen im echten Leben haben jede Menge Falten: sie sind hier zu weit und dort zu eng und man sieht ihnen ganz häufig an, was die Trägerin darin den ganzen Tag gemacht hat. Die Bilder im Internet sehen ganz anders aus und meine Vermutung ist, dass es sich ganz oft um Stehhosen handelt, denn Hosen, in denen frau auch sitzen kann, sehen ganz anders aus. 

Stehhosen sind relativ eng und das Hosenbein fällt faltenfrei nach unten. Sie sehen gut aus und die Trägerin wirkt damit schön schlank. Meterlange Beine, hohe Schuhe wecken in mir den Wunsch genau so in einer Hose auszusehen. Ganz abgesehen davon, dass ich sehr selten hohe Schuhe trage – eine Hose, in der ich mit meinem prachtvollen Po und mit meinen durchaus vorhandenen Oberschenkeln setzen kann, braucht einfach ein bisschen mehr Weite, als die in meinen Träumen sehnsuchtsvoll angeschmachtete Hose. 

 

Frau muß in einer Hose auch sitzen können

Wenn ich mich hinsetze, dann wirkt die Schwerkraft auf meinen Körper. Mein Po und meine Oberschenkel werden breit und legen sich genüsslich auf die Stuhlfläche. Der Hosenbund rutscht hinten nach unten – wenn ich Glück habe, werden alle sensiblen Stellen auch im Sitzen bedeckt. Mein Bauch ist auf einmal viel größer als im Stehen und der Hosenbund ist lang nicht mehr so bequem…. Ja, auf einmal braucht es einfach mehr Platz, mehr Weite und diese Weite ist auch noch da, wenn ich mich wieder hinstelle! Wo mehr Stoff ist, als gerade benötigt, da gibt es Falten. Das sieht frau sofort, wenn ein Vorhang aufgezogen ist – warum wundern wir uns also, wenn Hosen Falten haben? 

Erstaunlicherweise gibt es nicht nur Falten, wenn zu viel Stoff irgendwo ist, sondern auch, wenn zu wenig Stoff da ist, also wenn das Kleidungsstück zu eng ist – nur sind dann die Falten waagerecht. Manchmal wandert dann ein Kleidungsstück und sucht sich seinen Weg, dann staucht es und es gibt Falten. Und manchmal zieht der Körper den Stoff so sehr nach links und recht, dass dieser auch nur noch mit Falten reagieren kann. Deswegen ist es unser Ziel beim Anpassen der Schnittmuster, genau die richtige Menge an Stoff für dieses Körperteil zu haben. So einfach die Theorie, so schwierig die Praxis. Denn was wir mit berechnen müssen ist, dass wir uns bewegen und das wir so etwas merkwürdiges in Hosen machen wollen, wie sitzen. 

 

Falten sind völlig normal

Wenn wir in Hosen sitzen wollen, dann brauchen sie etwas mehr Stoff, als es im Stehen schön wäre. Punkt. Genau deswegen vermute ich, dass so manch schöne Hose auf Bildern in Wirklichkeit eine Stehhose ist. Deswegen versuche ich diese Bilder der idealen Hosen aus meinem Kopf zu verbannen. Denn genau solche Bilder sorgen dafür, dass ich mit einer gut passenden Hose unzufrieden wäre, wenn ich beginne, mich mit diesen Bildern zu vergleichen. Faltenfreie Hosen, in denen Frau sitzen kann, gibt es nicht – oder zumindest ist das verdammt schwer zu erreichen oder es braucht sehr viel Elasthan und damit sind wir schon wieder bei den 100% . 

Es ist möglich, Hosenschnittmuster so anzupassen, dass die schlimmsten Falten weg sind, dass es Hosen werden, die bequem sind und gut aussehen. Aber vermutlich gibt es die perfekte Hose nicht. Aber du kannst Hosenschnittmuster so anpassen, dass der Bund nicht vorne kneift und auch nicht hinten absteht, du kannst die Länge und Weite der Beine so bestimmen, wie sie bei dir gut aussieht und du kannst dafür sorgen, dass der Bund der Hose genau dort sitzt, wo es für dich vorteilhaft ist.  Das ist alles schon viel viel mehr als blind-drauf-los-nähen oder sich mit der Mangelhaftigkeit von Kaufhosen zufrieden zu geben. Aber es sind keine 100%. Für Wunder bin ich leider nicht zuständig, aber wie du dir eine gut passende Hose nähen kannst, das kann ich dir zeigen! 

 

Lust auf Hosen? Komm ins Webinar!

Zur Zeit bin ich im Hosenfieber, im Blog, im Newsletter auf Facebook, auf Instagram und auch hier im Podcast – überall rede ich über Hosen, weil ich dir richtig Lust machten möchte, dir Hosen zu nähen. Mehr Informationen über Hosenanpassungen bekommst du in meinem Webinar am 5.2. um 20.30 Uhr. Um dazu eingeladen zu werden und nichts zum Thema Hosen zu verpassen, trage dich doch auf die Interessentinnenliste ein.

Mit diesem Link kommst du zur Hosen-Interessentinnen-Liste.