Gestern postete ich Bilder von mir in Stadtmantel und Ninjakleid und es hagelte haufenweise Komplimente. Während ich das Ninjakleid schlaftrunken aus dem Schrank gezogen hatte, weil das Radio beim Wecken verkündete, wie kalt es draußen sei, hatte ich bei den Rückmeldungen das Gefühl, ich hätte ein sorgfältig zusammengestelltes Outfit an. Nunja, die Strumpfhose hatte schon ein paar Knubbel, weil ich sie letzten Winter schon oft anhatte, die Stiefel habe ich glaube ich auch schon mindestens zwei Jahre und der karierte Mantel passt eben nur zu quasi einfarbigen Kleidern. Ehrlich gesagt, hatte ich mir bei dem Outfit nicht viel gedacht.

Und dann las ich in der Brigitte Woman den Satz “Für diese Mode müssen Sie keine perfekte Figur haben, sondern Lust auf Komplimente”. Das bezog sich natürlich auf eine Plus-Size-Modestrecke und verursachte bei mir ein genervtes Augenrollen, denn dieses “du bist trotzdem schön”, mag ich gar nicht. Mag sein, das ich es hineininterpretierte, weil ich das nun schon so oft gelesen und gehört habe. Auf “trotzdem schön”, kann ich verzichten, auch wenn das noch so freundlich rüberkommt. Lieber mag ich “du bist schön” – ihr versteht, was ich meine, ne?

Aber plötzlich verstand ich, was die Kommentare und Komplimente zu meinen Bildern bedeuteten. Ab gesehen davon, dass sie einfach gefielen, wurde auch kommentiert, dass manche sich gerne eine Scheibe meines Mutes abschneiden würden, denn immerhin traue ich mich, auffällige Farben und Muster zu tragen, ein Hingucker und sichtbar zu sein.

Trotzdem.

Ja, aber warum denn nicht?!

Glaubt mir, nicht jeder Tag ist ein Tag für ein Knaller-Outfit, aber manche Tage eben schon. Wie großartig ist, es dann auch noch mit gemütlichen Klamotten wie dem Ninjakleid und dem Stadtmantel – selbstgemacht und ganz den eigenen Farb- und Musterwünschen entsprechend – den großen Auftritt hinzulegen! In meinem Alter! Mit meiner Figur!

Und das noch nicht einmal trotzdem, sondern einfach so, weil ich es kann!

Ich glaube, ich werde wieder mal öfters mein Outfit fotografieren und zeigen (obwohl ich es immer furchtbar anstrengend finde, Fotos zu machen). Anscheinend gibt es noch so viele Bedenken, das dies und jenes nur schwer möglich sei. Mich haben die vielen Bilder aus dem Internet von echten Frauen in selbstgenähter Kleidung nachhaltig beeindruckt und bestärkt. Und jetzt möchte ich euch bestärken. Trau dich. Du darfst sichtbar sein. Du darfst dich schön fühlen. Ohne trotzdem, einfach, weil du du bist und weil du dir nähen kannst, was dich stark und schön macht!

Wenn wir alle mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehen, können wir so stark und mächtig sein. Aber nur, wenn wir den Kopf frei bekommen von angeblichen Vorschriften, wie Frauen zu sein haben. Es liegt an uns, uns das zu erlauben und uns selbst zu ermächtigen. Und wenn du dazu noch einen kleinen Schubs brauchst. Ich bin da!