Ich hatte es euch ja versprochen. Jetzt geht es erstmal ein paar Tage lang nur um Hosen. Bevor der Schnittanpassungskurs für Hosen am 10.Februar startet und ich euch am 5.Februar im Webinar meine Methode der Schnittanpassung für Hosen vorstelle (Info und Anmeldung über die Interessentinnenliste), möchte ich euch etwas zu mir und den Hosen erzählen.
Hosen waren, bis ich als Erwachsene exzessiv zu nähen begann, völlig normal für mich. Ich trug einfach immer Hosen. Das lag vielleicht daran, dass ich in den 70ern aufgewachsen bin. Damals gab es irgendwie nicht dieses “rosa ist für Mädchen, blau für Jungs”-Ding. Irgendwie sahen wir alle gleich aus. Jungs und Mädchen trugen die gleichen Farben, die gleichen Frisuren und eben Hosen. Es gab ein paar Röcke in meiner Kindheit, aber wenn ich mich richtig erinnere, waren die nur “für gut” – sie spielten nicht wirklich eine Rolle in meinem Leben.
Auf der Suche nach der richtigen Hose
Woran ich mich allerdings erinnern kann, sind Hosenvariationen. Ich erinnere mich an das Bedürfnis, eine echte 501 haben zu wollen und die Enttäuschung, dann doch wieder nur eine Palomino-Jeans gekauft zu bekommen. Ich erinnere mich daran, wie Jeans hauteng sein mussten und angeblich in der Badewanne angezogen werden mussten. So hauteng waren meine nicht, ich konnte sie tatsächlich trocken anziehen. Ich erinnere mich auch daran, dass ich unbedingt mal eine längsgestreifte Hose haben wollte, so wie die wilden Kerle sie trugen. Meine Mutter nähte mir dann daraufhin eine gestreifte Hose und es war alles falsch daran, was nur falsch sein konnte. Die Streifen waren zu dünn, die Hose zu weit und statt engem Bein hatte sie Bundfalten. Die schickste Hose – in meinen Augen – die ich jemals besessen hatte, war eine knallrote Breitcord-Hose mit engen Waden und weiten Oberschenkel (wie für Reiter) – niemand außer mir fand sie schick, aber ich liebte sie. Die karierten Karottenhosen aus den 80ern waren plötzlich aus Wollstoff (statt Jeans oder Cord) und kratzten. Es war nicht leicht mit den Hosen und trotzdem waren sie auch kein Problem. Wir trugen eben Hosen und dachten nicht darüber nach.
Wenn die Proportionen nicht stimmen ….
Das erste Mal, dass ich über Hosen nachdachte war zu einer Zeit, als ich das Nähen wieder für mich entdeckt hatte und aufgrund der anderen Nähblogs von Retrokleidern träumte. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages ein Spiegelbild von mir in der Tür eines Busses sah. Ich sah eine Frau in Jeans und weißem T-Shirt. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass frau mit dieser Kombination nicht viel falsch machen kann. In der mich spiegelnden Bustür erkannte ich, dass ich durchaus einiges falsch machen konnte. Das, was ich trug, war ziemlich unvorteilhaft für mich. Danach trug ich jahrelang nur nur noch Kleider.
Was mich störte damals, war die unterbrochene Silhouette durch ein Oberteil in einer anderen Farbe als das Unterteil. Das war der Grund, wieso ich plötzlich einteilige Kleider bevorzugte. Aber es war noch etwas anderes, was mich störte, was ich aber erst Jahre später herausfand: die Proportionen stimmten nicht.
Die Sehnsucht kam mit dem Frühling
In den letzten Jahren liebte ich immer noch Kleider, doch im Frühling spürte ich dieses merkwürdige Bedürfnis nach Hosen. Es gibt jedes Jahr einen Zeitpunkt, an dem ich partout keine Strumpfhosen mehr sehen kann. Diese enganliegende zweite Haut an meinen Beinen macht mich wahnsinnig. Plötzlich will ich Hosen, ich will etwas Luft an der Haut aber trotzdem noch nicht mit nackten Beinen durch die Welt spazieren. Es brauchte einige Zeit, bis ich mir mein Bedürfnis nach Hosen eingestand, denn es war ja erst ein paar Jahre her, dass ich ihnen komplett abgeschworen hatte.
Das Lesen von Nähblogs hatte mich auf die Idee gebracht, dass Hosen zu nähen schwierig sei. Ich hatte Respekt vor dem Thema! In meinem Schnittkonstruktions-Unterricht lernte ich, Hosen zu konstruieren. Ich nähte ein paar Probehosen und war sehr unzufrieden. Die Hosen saßen ok, aber sie sahen falsch aus. Ich hatte einfach kein Händchen dafür, den passenden Stoff zu wählen und ich stand mir selbst ganz gehörig im Weg beim Thema Hosen.
Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit lähmte
Das, was ich für mich an Hosen nähte, sah nicht so aus, wie das Bild von mir in Hosen, das ich mir erträumte. Doch das verstand ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da gab es diese Hosen an anderen Frauen, die mir gefielen und dann gab es mich in Hosen und das gefiel mir nicht. Es war ein wenig schwierig mit mir und den Hosen. Ich beschloss mich weiterhin, um das Thema zu drücken und trug im Herbst so lange keine Strümpfe, bis es wirklich zu kalt dafür wurde und litt im Frühling in Strumpfhosen.
Auf die Idee mir eine Hose zu kaufen kam ich nicht. Ich nähte nun schon so lange meine komplette Garderobe, dass ich einfach keine Läden mehr besuchte. Das führte dazu, dass ich keine anderen Hosenmodelle anprobiere und herausfinden konnte, was an meinen selbst konstruierten, eigentlich gut passenden, aber hässlichen Hosen falsch war. Ich ignorierte Hosen, bis ich im Urlaub in Amsterdam mit einer Freundin in einem tollen Laden stand und plötzlich Lust verspürte, etwas anzuprobieren. Ich war in Urlaubsstimmung und etwas verwegenen: warum eigentlich nicht? Die Kleider, die ich anprobierte, waren ok, aber die konnte ich mir auch selbst nähen. Auf einmal probierte ich eine Hose. Die erste Hose war merkwürdig. Es war eine sehr enge Jeans mit viel Elasthan. Ich fand, ich sah aus wie eine Presswurst, war aber erstaunt, wie sich das Material anfühlte.
Es brauchte etwas Leichtigkeit, um mich dem Thema Hosen erneut zu nähern
Ich war so lange auf Hosenabstinenz gewesen, dass ich den Siegeszug des Elasthan glatt verpasst hatte. Das Material faszinierte mich, ich probierte weiter und zu meiner Überraschung war die nächste Hose, die ich probierte perfekt. Es war eine Schlaghose, genau so, wie ich sie in den 90ern geliebt hatte und sie saß perfekt. Ich war echt baff. Sollte es wirklich Hosen geben, die sich gut anfühlen? Dann brachte mir die Verkäuferin Oberteile, die ich nie im Leben selbst ausgesucht hätte, aber ich war im Urlaub und der Laden und die Verkäuferin waren nett. Plötzlich erkannte ich, dass das Oberteil einfach nur die richtige Länge haben mußte, damit es mit mir und den Hosen stimmt. Ich kaufte zwei Hosen und zwei Oberteile und trug im Urlaub nichts mehr anderes. Ich fühlte mich ein wenig verkleidet, dabei sah ich eigentlich aus, wie alle anderen: wenn man sich umschaut, sieht man sehr viel mehr Frauen in Hosen als in Kleidern. Und ich fühlte mich verkleidet!
So kamen Knall auf Fall die Hosen wieder in mein Leben. Zunächst trug ich sie “heimlich”, etwas verschämt, aber dann immer häufiger. Deswegen lag es dann auch irgendwann nahe, mich wieder mit dem Thema Hosen-Nähen zu beschäftigen. Mittlerweile hatte ich nicht nur Schnittkonstruktion, sondern auch Schnittanpassung gelernt, aber um die Hosen machte ich lange auch bei der Schnittanpassung einen großen Bogen. Ich erinnerte mich an meine “misslungenen” Hosen aus dem Schnittkonstruktionsunterricht und glaubte den Gerüchten, dass Hosen-Nähen schwierig sei. Bis ich heraus fand, dass das gar nicht stimmt. Aber davon ein anderes Mal mehr….
“zunächst trug ich sie heimlich…” Das hat mich zum Lachen gebracht, danke!
hihi 🙂
Genau das ist das Problem heute mit den Hosen: Des Elastan.
Es macht die Dinger zu einen saubequem, zum anderen aber für Selbermacherinnen problematisch.
Da gutes Material zu bekommen ist nicht einfach. Und wenn man dann den Hosenschnitt für das Material angepasst hat verhält sich die andere Farbe mit nur 2% Lycra mehr völlig anders. Vielleicht solltest du deshalb auch bezahlbare gute Bezugsquellen von guten Hosenstoffen in gleichbleibender Qualität mit aufnehmen.
Ich habe früher vor der Entdeckung von Elastan alle meine Hosen selbergenäht und das war ok für mich. Aber jetzt weiß ich halt wie viel bequemer enge elastische Hosen sein können. Und weite Beine mag ich halt an mir nicht leiden……
Ich bin gespannt wie du das siehst- nicht die Schnittanpassung empfinde ich als problematisch, sondern das unberechenbare Material.
(Flashback in die 80er- da kannte ich das allerdings auch: Cord war auch so unberechenbar.)
Das Strumpfhosenphänomen kenn ich übrigens auch, so ab Januar hab ich auch keine Lust mehr drauf. 🙂 Deshalb habe ich für solche Fälle halt Kaufhosen meiner bewährten Lieblingsmarke. Die können das gut!
Liebe Griselda,
ja, das Material ist in der Tat ein großes Problem – dafür habe ich auch noch keine wirkliche Lösung. Vor Allem, weil es ja nicht mit einem Finetuning getan ist, wenn das Material sich dann auch noch im Laufe des Tragens verändert. Ich nehme deinen Kommentar mal als Anlass, mit ein paar Stoffläden zu sprechen.
Viele Grüße
meike