Für den Monat Mai habe ich das Thema “Rock” bzw. “Röcke” ausgewählt und eine “Mairöckchen-Aktion” ins Leben gerufen, bei der es einen erweiterten Rockschnittmuster-Konstruktionskurs gibt. Jetzt wurde ich gefragt, ob dieser Kurs auch etwa für Frauen ist, die eine große Größe tragen bzw. ob ich auch diesen Figuren dazu rate, Röcke zu tragen und wenn ja, was es diesbezüglich zu beachten gilt. Na, das beantworte ich doch gerne! 

 

Unterschiedliche Figurtypen

Es ist, wie es ist – wir haben nun mal unterschiedliche Figuren. Gerade bei Plus Size-Frauen wird das besonders deutlich, denn dieses “Mehr an Körper” im Vergleich zu der angeblichen “Normalfigur” bzw. dem Schönheitsideal, kann eben an verschiedenen Stellen sitzen.

Ihr kennt sicherlich die unterschiedlichen Figurtypen, die mit Buchstaben oder Obstsorten betitelt werden. Diese geben schon Aufschluss darüber, wie unterschiedlich Frauenkörper aussehen können.

Bild-Quelle: Depositphotos

Bei dicken Frauen oder Frauen, die aufgrund eines höheren Alters (in oder nach den Wechseljahren) oder aber einer Schwangerschaft, weiches Gewebe angesammelt haben, kann dieses noch an anderen Orten liegen, als die Figurtypen symbolisieren.

Im Grunde ist es so: die bevorzugte Stelle, an der Frauen im Laufe des Lebens zusätzliches weiches Gewebe ansammeln ist die Taille.

 

Während andere Stellen bei Gewichtszunahme sich zunächst die übliche Stelle des Figurtyps suchen (z.B. speichert der A-Typ gerne Vorräte in den Oberschenkeln oder am Po, während der X-Typ auch mehr Brust bekommt), ist der Verlust der sichtbaren Taille ein ganz klassisches Phänomen, das im Laufe des Lebens nahezu alle Frauen ereilt. Dennoch sind wir dann nicht zwangsläufig alle O-Typen, wie das Bild oben suggerieren würde. Es ist schlichtweg so, dass rund um die Taille weiches Gewebe an der vorderen Mitte aber auch an den Seiten angesammelt wird und sich in ausgeprägter Form ein von mir so bezeichneter “Bauch 2” bildet.

Kein Grund zur Sorge, das ist einfach so – wenn wir unsere Kleidung nähen, können wir das berücksichtigen, in dem wir eben in diesem Bereich mehr Weite vorsehen. Wir können sogar bei Kleidungsstücken wie Kleidern oder Jacken mit geschickter Schnittform die Illusion einer Taille erzeugen, in dem wir in der Mitte des Vorderteils Weite zugeben – wo sie gebraucht wird – und die Seitennaht so einstellen, dass eine taillierte Silhouette entsteht. Wie großartig, dass wir nähen können!

 

Röcke teilen den Körper in Ober- und Unterkörper

Leider funktioniert diese modellierende Wirkung von Kleidung nicht bei Röcken, da diese eben keine einteiligen Kleidungsstücke bzw. längeren Oberteile sind, sondern genau an der neuraligischen Stelle, der Taille beginnen. Der Bund des Rockes – egal, ob er “auf Taille”, darunter oder “auf Hüfte” sitzt, teilt den Körper sichtbar in einen Ober- und einen Unterkörper. Unsere Sehgewohnheiten bevorzugen es, wenn an dieser Teilungslinie der Körper schmaler ist, als der Bereich darüber oder darunter.

Lösung:

Immer dann, wenn das nicht der Fall ist – wir aber genau diese Silhouette erzeugen wollen – müssen wir tricksen: der Bund des Rockes darf nicht sichtbar sein (oder ist, wie auf dem Foto von mir “hüftig”,also unterhalb der Taille) und das darüber liegende Oberteil erzeugt den oben beschriebenen optischen Trick.

 

Taillensenkung – Ohje, der Rock sitzt schief

Ein häufiges Phänomen, das bei dicken Frauen und Röcken zu beobachten ist, ist die sogenannte Taillensenkung. Der Bund eines Rockes sitzt vorne tiefer, weil er unter “Bauch2”, der auf Taillenhöhe liegt, rutscht. Bei mir gibt es “eine Rille” zwischen Bauch1 und Bauch2 bei der ich nicht sicher bin, ob sie sich entwickelt hat, weil alle Rock-, Hosen- und Strumpfhosenbünde dorthin wandern oder ob sie dorthin wandern, weil da vorher schon eine Rille war. Aber das ist ja schlußendlich ebenso wenig relevant, wie die Frage nach Huhn und Ei.

In dem Moment, in dem ein Bund in diese Rille rutscht und damit vorne tiefer sitzt als hinten, ist die sichtbare Teilung des Körpers in Ober- und Unterkörper nicht mehr waagerecht. Unser Auge empfindet das als störend – wir empfinden Dinge dann als stimmig, wenn alles, was waagerecht sein soll auch wirklich waagerecht verläuft und alles was senkrecht sein soll, auch tatsächlich senkrecht verläuft. Also: das sieht nicht wirklich gut aus.

Lösung:

Schnittanpassung und vorheriges gekonntes Vermessen des Körpers ist die Lösung. Markiere vor dem Messen mit einem Gummiband den zukünftigen Bundverlauf, um die Rocklänge nicht von der Taille, sondern von dem zukünftigen Bund aus zu vermessen.

 

Ein prachtvoller Po braucht mehr Stoff

Der zusätzliche Nebeneffekt einer fülligen Figur ist, dass zu einer Taillensenkung häufig ein prachtvoller Po gehört – also eine ausgeprägte untere Körperrückseite. Dieser prachtvolle Po holt sich die Weite, die er braucht und zieht den Stoff nach hinten. Die Seitennaht verschiebt sich noch weiter und wieder haben wir das Phänomen, dass die eben nicht lotrecht verlaufende Linie uns irritiert.

Lösung:

Das Problem ist leicht gelöst: Im Rückteil des Rockes muß mehr Weite und Länge vorgesehen werden. Vorderteil und Rückteil sind nicht identisch! Während einfache Rockschnittmuster oftmals identische Schnittteile für Vorder- und Rückteil nutzen, braucht es eben für eine Figur mit prachtvollem Po ein Rückteil mit mehr Weite und mehr Länge – denn dort, wo der Körper einen Hügel hat, braucht das Kleidungsstück mehr Weite und auch mehr Länge, um über diesen Hügel zu kommen.

 

Nutze einen Saumabrunder

Das führt mich zum nächsten Hilfsmittel, um Röcke auch für füllige Figuren schöner, also gut passender zu machen: den Rock- bzw. Saumabrunder. Kleidungsstücke sehen “aus der Balance geraten” aus, wenn der Saum nicht waagerecht verläuft. Bei Frauen mit prachtvollem Po können wir oft beobachten, dass der Rock hinten kürzer ist, als vorne. Du weißt nun, warum das so ist.

Vor dem Nähen sollte im Schnittmuster entsprechend Länge und Weite zugegeben werden, so dass der Rock im Rückteil gut passt uns sich der ausladene Po nicht die Weite holt. Das führt dazu, dass die Seitennaht lotrecht verläuft. Damit der Saum nun auch wirklich waagerecht wird, sorgen wir mit einem Rockabrunder für einen geraden Abschluss. Der fast fertige Rock wird angezogen und mit einem dem Saumabrunder wird ein parallel zum Boden verlaufender Kreidestrich gepüstelt.

 

 

Gut passende Röcke für dicke Frauen müssen auf die Figur angepasst sein

Beherzigst du diese vier Tipps, dann ist es auch für eine füllige Figur möglich, gut passende, schicke Röcke zu nähen, die dir eine tolle Figur zaubern, weil sie einfach stimmig sind. Mit ein bisschen Schnittanpassungs-Know-How und Stylinggeschick kannst du dir genau wie dünne Frauen wunderschöne Röcke nähen und das schnelle Erfolgserlebnis dementsprechend genießen.

Doch eine Warnung habe ich noch für dich: Immer dann, wenn du intensiv mit dem Saumrabrunder gearbeitet hast, das heißt, wenn dein Rock signifikant hinten kürzer ist als vorne, dann achte beim Aufstehen von einem Stuhl oder beim Gehen darauf, dass der Rock sich nicht am Körper dreht. Alles muß an Ort und Stelle sein, sonder ist der Rock verrutscht und der Saum schief. Das nervt manchmal, deswegen finde ich tendenziell Kleider praktischer. Trotzdem nähe und trage ich unheimlich gerne Röcke, weil sie irgendwie schnell, einfach und unkompliziert sind – auch wenn ich keine “Traumfigur” habe.

 

Gute Passform durch ein Maßschnittmuster

Wenn du nun auch gerne gut passende Röcke tragen möchtest, obwohl du eine Plus-Size-Figur hast oder aber einfach nur bei dir die Taille verschwunden ist, dann rate ich dir dazu, Rockschnittmuster selbst zu konstruieren, statt bei gekauften Schnittmustern darauf zu hoffen, dass sie schon irgendwie passen. Gerade bei selbstgenähten Sachen ist es verdammt ärgerlich, wenn diese Passformfehler haben. (Menschen, die Kaufkleidung tragen, bemerken das ja oft nicht einmal.) Wenn du dein Rockschnittmuster selbst konstruierst, kannst du auch ganz einfach Maßschnittteile für vorne und hinten machen und schon im Vorfeld berücksichtigen, wo du gerne den Bund tragen möchtest.

In meinem Rock-Konstruktionskurs zeige ich dir, wie du ein einfaches Schnittmuster für einen Rock nach deinen Maßen konstruierst, so dass die oben genannten Passformfehler erst gar nicht auftreten. Im Monat Mai wird der Selbstlernkurs noch um eine Kursgruppe erweitert, in der du Unterstützung bekommst und Gleichgesinnte triffst. Außerdem gibt es noch ein zusätzliches Live-Webinar mit weiterführenden Inhalten.

Mit diesem Link kommst du direkt zum Mairöckchen-Angebot

(bis 31.5.2021 erhältlich)

Falls du diesen Blogpost später liest: mit dem Selbstlernkurs Rockkonstruktion kannst du jederzeit loslegen!