Meine Kleidung zu nähen, war für mich ein riesengroßer Selbsterfahrungsprozess. Je besser ich nähen und Schnittmuster anpassen lernte, umso mehr war möglich. Ich konnte plötzlich selbst bestimmen, was ich anziehen, wie ich der Welt begegnen wollte, aber diese Entscheidungen zu treffen war gar nicht so einfach. Wie gut, dass Nähen eine Weile dauert – so hatte ich die Chance, in meine neue Garderobe hinein zu wachsen. 

In der Plussize-Mode fand ich oft nicht, was ich suchte. Die Kleidung war mir irgendwie zu groß, auch wenn sie scheinbar passte. Was mich besonders störte war das “sackige” dieser Kleidung. Ich fühlte mich wie eine große Littfasssäule. Von Figur war gar nichts mehr zu erkennen. Als ich begann für mich Kleidung zu nähen und mich nach und nach traute, mit meiner Kleidung mehr den Linien meiner Figur zu folgen, stellte ich fest, wieviel vorteilhafter das aussah. Figurbetonte Kleidung machte mich nicht schlanker, aber schöner! Ich war erstaunt!

“Modell Litfasssäule” steht keiner Frau

Wenn das bei mir so ist, wieso näht dann die Bekleidungsindustrie für Plus-Size-Frauen nur Säcke? Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, woran das lag. Es liegt daran, dass die Hersteller dieser Kleidung die Frau, die sie trägt nicht kennen. Wir Frauen sind so verschieden! Je größer die Kleidungsgröße, umso größer sind die Möglichkeiten, wo sich dieses “Mehr” am Körper ansiedelt. Damit vorgefertigte Kleidung möglichst vielen Frauen passt, ist sie eben einfach weit genug.

Das führt zum Beispiel bei Oberteilen oder Kleidern dazu, dass der Stoff mehr oder weniger vom Busen hinabfällt wie ein Vorhang. Klar, viele Frauen, insbesondere ab einem bestimmten Alter, haben in der Körpermitte keine schlanke Taille sondern auch noch ein paar Polster für schlechte Zeiten. Das ist aber noch lang kein Grund, alles für eine Litfasssäule passend zu schneidern! Selbst wenn ich keine ausgeprägte Taille habe, ist es doch viel vorteilhafter für mich, wenigstens so zu tun, als hätte ich eine.

Kleidung, die aus sich selbst heraus eine Silhouette hat

Das lernte ich erst, als ich begann, Kleidung aus Webware für mich zu nähen. Na klar ist es unkomplizierter mit dehnbaren Stoffen zu nähen. Doch diese haben oft den Nachteil, dass darin jedes Röllchen sichtbar wird. Oberteil und Kleider aus Webware können aber auch sich selbst heraus eine Silhouette erzeugen. Das ist großartig, denn so können sie figurbetont sein, ohne wirklich eng zu sein. Aber sie müssen “auf Figur geschnitten” sein. Es ist etwas mehr Arbeit, ein Schnittmuster vor dem Nähen anzupassen, aber die Wirkung ist famos. Oder wie es eine Kundin von mir einmal sagte: “Ich muß keine gute Figur haben, um eine gute Figur zu machen”.

Foto: Matthias Friel, Text Anja Wermann

Nähen, ohne den eigenen Körper zu kennen, ist wie mit verbundenen Augen zu schießen

Trotzdem ist es wichtig, die eigene Figur, den eigenen Körper zu kennen, um ihn passformgenau zu benähen. Wir müssen genau hinschauen, wie wir aussehen, auch wenn uns das nicht immer leicht fällt. Doch es wird leichter. Durch gut passende Kleidung, die uns ein gutes Gefühl gibt, wird es leichter, den eigenen Körper anzuschauen und zu akzeptieren.

Ich lernte meinen Körper anzunehmen, in dem ich ihn benähte. Einen anderen Weg geht die Psychologin Anja Wermann mit ihren Klientinnen. Sie hat eine 8-Schritte-Methode entwickelt, um sich im eigenen Körper wohler zu fühlen und genau darüber spreche ich mit ihr im Rahmen des kostenlosen Onlinekurses “Busenfreundinnen”, zu dem du dich noch bis heute Abend anmelden kannst. Die Gruppe zum Kurs findet auf Facebook statt. Du kannst aber auch nur per Mail an dem Kurs teilnehmen und bekommst so die Aufgaben und die Links zu den Videos. Ich freue mich auf dich!