“Macht mich das nicht an den Schultern zu breit?” habe ich wiederholt über die Tulpenärmel des Tulpentops gelesen habe. Ja und?

Ich kenne das gut, etwas Neues ist ungewohnt und irritierend. So funktioniert Mode. Wir sehen neue Silhouetten und sind zunächst einmal verwirrt. Unsere Sehgewohnheiten werden gestört. Das, was wir nicht kennen, mögen wir erst einmal nicht. Erst, wenn ein Gewöhnungszustand einsetzt, empfinden wir eine neue Silhouette zunächst als ok, manchmal sogar als schön.

Zeig, was du hast

In der Mode wurde schon immer mit Silhouetten gespielt. Vorhandene oder nicht vorhandene Vorzüge des Körpers wurden nach Wunsch betont, aufgepolstert, ins rechte Licht gerückt, freigelegt oder auf andere Art und Weise sichtbar gemacht. Anderes wurde versteckt oder kaschiert. Interpretationen dazu, gibt es viele.

In dem Begriff Interpretation steckt schon so viel Wahrheit. Wir können Signale, wie sie von Kleidung ausgehen, nicht 1:1 übersetzen, denn es gibt keine eindeutige Botschaft, auch wenn das manchmal so wirkt. Wir interpretieren das, was wir sehen und bekleiden die Sinneseindrücke mit unseren Werten. Dieser Vorgang geschieht meist unbewußt. Wir können das, was passiert aber durchaus ins Bewusstsein holen und entscheiden, wie wir das, was wir sehen bewerten.

Alles eine Frage der Bewertung

Ich finde, in den möglicherweise ungewohnt breiten Schultern liegt auch eine Chance. Wir Frauen müssen immer und ständig “unseren Mann stehen”. Wir leisten so viel, ein wenig (mehr) Rückgrat und kräftige Schultern sind da durchaus von Nutzen, um unseren Alltag zu stemmen. Immerhin reden wir jetzt nicht von Schulternpolstern aus den 80ern wie beim Denver Clan.

Wir sprechen schließelich nicht von einer männlichen Y-Silhouette. Ganz zart sind sie, die Ärmel des Tulpentops, zart flatternd umhüllen sie unsere Muskeln. Die Ärmel rufen “schau hin” und verhüllen gleichermaßen. Das, was vielleicht nicht straff, stramm und muskulös ist, das weibliche Bindewebe, für das es unschöne Ausdrücke gibt und für das wir uns wahrlich nicht zu schämen brauchen, wird weder gezeigt, noch in den Vordergrund gerückt. Auffällig ist in der Tat die etwas breiter als gewohnte Schulterpartie – es liegt an uns, wie wir diese bewerten!



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Du gestaltest, wie du auf andere wirkst

Wenn wir für uns selbst Kleidung nähen, bleibt es nicht aus, sich über das, was wir tragen wollen und unsere Sehgewohnheiten Gedanken zu machen. Vielmehr, als durch den Kauf von Kaufkleidung, haben wir es in der Hand, unsere äußere Hülle zu gestalten. Wir können bewußt Signale senden, wir haben die Kontrolle darüber, wie wir aussehen, in dem wir uns nähen, was uns gefällt. Wir haben zwar keine Kontrolle darüber, was andere darüber denken. Doch je mehr eindeutige Signale wir senden, um so mehr beeinflussen wir die Gedanken der anderen.

Wenn wir mit Freude und Stolz breite Schultern zeigen, dann wirken wir stark und selbstbewußt. Vielleicht mit einem kleinen Augenzwinkern, denn die Flatterärmel strahlen genug Weiblichkeit aus, damit niemand Angst vor unserem breiten Kreuz bekommt. Eine neue Silhouette ist eine Chance, auch mal anders wahrgenommen zu werden – so wie wir sie tragen und was wir dazu sagen, haben wir die Chance, etwas zu ändern. Das ist in meinen Augen, eine ganz spannende Geschichte.  Wie geht es euch damit?

 

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